Antifa Bonn/Rhein-Sieg

Nachbereitung und Redebeitrag der Demo »Solidarität ist unsere Waffe« (18.03.2024)

Am 18.03.2024 zogen wir mit ca. 80 Menschen zum Tag der politischen Gefangenen laut und kämpferisch einmal quer durch in der Innenstadt Bonns. Zu Beginn hörten wir eine Rede der Roten Hilfe, diese unterstützt seit genau 100 Jahren von Repression Betroffene und deren Angehörige. Danach hielten wir einen Redebeitrag mit Fokus auf dem faschistischen „Tag der Ehre“ in Budapest (für den gesamten Redebeitrag siehe unten). Infolge von Zusammenstößen von Faschist*innen und Antifaschist*innen wurden letztes Jahr Antifas in mehreren europäischen Ländern festgenommen. Manchen droht nun eine Auslieferung nach Ungarn, dort würde ihnen kein rechtsstaatliches Verfahren zustehen.

Bei unserer Zwischenkundgebung am Landgericht Bonn hörten wir einen Redebeitrag von Solidarity1803, welcher das gesamte System Knast infrage stellt. Danach hielt noch das Solidaritätskomitee Kurdistan Bonn eine Rede mit Blick auf die Verfahren gegen kurdische Genoss*innen.
Zum Schluss zogen wir nochmal laut durch die Altstadt und endeten mit einer Rede der LUST am Frankenbad Platz über die Ideologie der gerechten Polizeigewalt.

Wir bedanken uns bei allen, die mit uns die Freiheit aller gefordert haben, egal ob aus Bonn oder von weiter weg. Unser Dank gilt dem FemSound für die Bereitstellung der Soundtechnik, den Menschen hinter dem Ermittlungsausschuss und allen, die gesprochen haben.

Freiheit für alle politischen Gefangenen – Solidarität ist unsere Waffe!

Im Folgenden findet ihr unseren Redebeitrag, den wir auf der Demo gehalten haben.

Repression gegen Antifas in Ungarn

Seit einer militanten Intervention gegen Nazis in Ungarn anlässlich des s.g. „Tag der Ehre“ in Budapest geht der autokratische ungarische Staat mit massiver Repression gegen Antifas als Beschuldigte vor. Andere EU-Staaten wie Deutschland oder Italien machen sich dabei im unterschiedlichen Maße zu bereitwilligen Erfüllungsgehilfinnen.

Seit 1997 veranstaltet die ungarische Nationale Front jeden Februar den „Tag der Ehre“. Hier geht es darum, einen Nazi-Mythos zu erschaffen. Seit 1998 gibt es auch eine internationale Beteiligung von Nazigruppierungen. 1999 kam es zu Zusammenstößen mit der Polizei. Danach wurde die Veranstaltung von staatlicher Seite verboten. In den folgenden Jahren tarnten die Rechten ihre Veranstaltung als Wandertour und umgingen damit das staatliche Verbot. Seit 2003 organisiert das Terrornetzwerk „Blood and Honour“ die Veranstaltung. Hunderte Neonazis trafen hier auf noch recht spontan organisierten zivilgesellschaftlichen Gegenprotest. In den darauffolgenden Jahren wuchs die rechte Veranstaltung auf bis zu 1500 Teilnehmende an. Seit 2009 findet antifaschistischer Gegenprotest organisiert und regelmäßig statt, doch dieser wird immer wieder von staatlicher Seite ausgebremst.

Seit 2018 organisiert die „Légió Hungária“ inzwischen wieder legal den „Tag der Ehre“. Die Gedenkwanderung der Nazis besuchten in den vergangenen Jahren bis zu 3000 Teilnehmende und sie wird immer wieder durch antifaschistische Interventionen gestört. Da in Ungarn kaum zivilgesellschaftlicher Protest vorhanden ist, sind Gegendemonstrationen auch mit nur wenigen hundert Teilnehmenden etwas ganz Besonderes.

Unter den duldenden Augen des ungarischen Staates haben es Neonazis u. a. aus Deutschland und Österreich geschafft, gewalttätige rechte Strukturen in Ungarn aufzubauen. Hier treffen sie auch auf Angehörige des Militärs und eine Spezialeinheit des ungarischen Innenministeriums. Anders als in Deutschland und Österreich haben sie in Ungarn die Möglichkeit, paramilitärische Trainings offen durchzuführen.

Bisher gibt es noch keine Massenbewegung gegen den Geschichtsrevisionismus, z. B. am „Tag der Ehre“ oder das unverhohlene Auftreten der Rechten in Ungarn insgesamt. Eine weitere Skandalisierung von außen wäre eine Möglichkeit, den Druck auf die ungarische Regierung zu erhöhen. Diese geht mit den wandernden Nazis wohlwollend um, diese müssen keine Strafe fürchten.

Im Gegensatz dazu gehen die ungarischen Behörden seit 2023 scharf gegen Antifaschist*innen vor. Die politisch gleichgeschalteten Medien beteiligen sich an der Hetze gegen Antifas. Im Februar 2023 wurden am Rande der nationalsozialistischen Gedenkfeierlichkeiten mehrere Neonazis angegriffen und verletzt. Die ungarischen Behörden nahmen daraufhin mehrere Antifaschist*innen fest. Momentan sitzen Tobi aus Deutschland und Illaria aus Italien in Budapest in Untersuchungshaft – seit über einem Jahr! Ebenfalls sitzen Gabri in Italien und Maja in Deutschland in Untersuchungshaft, ihnen droht die Abschiebung nach Ungarn.

Die Staatsanwaltschaft in Budapest und das LKA Sachsen konstruieren eine kriminelle Vereinigung in Zusammenhang mit dem Verfahren um die inhaftierten Antifas um Lina E. Doch die bisher vorliegenden Fakten sind dürftig und hätten bei einer Verhandlung in Deutschland wenig Chancen, zu einem Schuldspruch zu führen.

Das ungarische Justizsystem entspricht nicht rechtsstaatlichen Standards. Einfachste rechtsstaatliche Selbstverständlichkeiten werden dort nicht eingehalten. Die Untersuchungshaft wird beinahe nach Belieben ausgedehnt. Prozesstage finden in großen zeitlichen Abständen statt und die Haftbedingungen verstoßen gegen menschenrechtliche Standards. Dies führte in früheren Fällen dazu, dass deutsche Oberlandesgerichte die Auslieferung nach Ungarn verweigerten. Einige verdächtigte Antifas sind untergetaucht, um einer Auslieferung zu entgehen. Deutsche Behörden versuchen den Antifas ein Geständnis abzupressen, indem sie behaupten, dann von einer Auslieferung abzusehen. Die ungarische Justiz zeigte mit ihrem Vorgehen gegen Tobi und Illaria, dass es sich hier vor allem um ein politisches Verfahren handelt, ganz auf Linie mit der ungarischen Regierung.

Freiheit für Tobi und Illaria in Budapest, für Maja in Deutschland und Gabriele in Italien!
Free all Antifas!


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