Antifa Bonn/Rhein-Sieg

So schlecht kann Journalismus sein …

Neben der Antifaschistischen Linken Münster und er URA aus Dresden wurden auch wir im Kontext der Recherche zum Reporter-Beitrag „Antifa: Was wollen Linksradikale?“ von Timm Giesbers und Tobias Dammers kontaktiert. Im Folgenden veröffentlichen wir hier unsere Antworten auf die zentralen Fragen des Beitrags, welche uns von Dammers schriftlich zugeschickt und ebenfalls schriftlich beantwortet wurden. Wir sehen unsere Antworten in keiner Weise im Beitrag berücksichtigt und halten den Beitrag an sich für journalistischen Müll. Daher stellen wir die Antworten hier als Gegendarstellung zum voreingenommenen und unfairen Framing der beiden Reporter online.

Wie soll die ideale Gesellschaft aussehen?

Darüber haben wir kein einheitliches Bild, wir wissen nur konkret, was wir nicht möchten. Wir sind ja auch primär eine Antifagruppe, versuchen in erster Linie Linke, aber natürlich auch alle anderen Menschen vor Nazis zu schützen und Faschismus auf gesellschaftlicher Ebene zurück zu drängen. Einen neuen Gesellschaftsentwurf möchten wir als geschlossene thematisch fokussierte Gruppe niemanden vorgeben, sondern lieber mit vielen Menschen diskutieren. Wenn solche Debatten stattfinden, sind wir dabei und können bestimmt unseren Teil beitragen. Damit die Frage jedoch nicht unbeantwortet stehen bleibt, nennen wir ein paar konkrete Prämissen, auf denen eine ideale Gesellschaft beruhen sollte. Kollektive Verwaltung der Produktionsmittel, so, dass alle am gesellschaftlichen Wohlstand teilhaben können und über ihn verhandeln können. Lokale und basisdemokratische Entscheidungsstrukturen, kein ZK oder repräsentative Vertreter*innen, die nicht rechenschaftspflichtig sind. Gleichstellung aller Geschlechter. Solidarische Gesellschaft, die Ungleichheiten zwischen Menschen aufhebt. Nur, um an diesem Punkt zu kommen, wo man solche Veränderungen verhandelt kann, braucht es jedoch zunächst ein Problembewusstsein und gemeinschaftliche Organisation, erst dann können kann man über wirkliche Veränderungen diskutieren und diese einleiten.

Wie sollen diese Ziele erreicht werden und die erforderlichen Mittel dazu?

Mit allem was nötig aber ethisch vertretbar ist, um es in einer kurzen Formel zu nennen. Konkret bedeutet dies, wir halten es für politisch und strategisch sinnvoll alle legalen Mittel auszuschöpfen, um auf Missstände aufmerksam zu machen und auch in kleinen Punkten Verbesserungen zu erzielen, dabei denken wir an Streiks für bessere Arbeitsbedingungen oder Demonstrationen. Wenn dies nicht reicht, sind aber auch Mittel des Zivilen Ungehorsams legitim wie Besetzungen oder Straßenblockaden. In dem Punkt zeigt „Ende Gelände“ sehr gut, wie mit diesen Mitteln Druck aufgebaut werden kann, damit Klimaschutz in der öffentlichen Debatte bleibt. Die erforderlichen Mittel hängen aber auch mit den herrschenden Umständen zusammen und den Möglichkeiten, die Bewegungen, Gruppen und Personen haben, zusammen. Menschen die in einer Demokratie leben und für bessere Arbeitsbedingungen kämpfen, nutzen eben Mittel wie Streiks und in dieser Situation sind diese vermutlich für sie nur vorstellbar. Jedoch unter anderen Bedingungen wie stärkerer Repression; sehen sie sich mit Gewalt konfrontiert, greifen auch sie zu anderen Mitteln. Diese werden oft in akuten Situationen gar nicht verhandelt, sondern werden in konfrontativen Dynamiken spontan gewählt. Heizen sich soziale Konflikte auf und Menschen sehen, in einer für sie sozialen prekären Lebenslage, wie etwa bei den Gelbwesten Protesten in Frankreich, dass Menschen durch Gummigeschosse ihre Augen verlieren, entscheiden sich Menschen auch spontan Steine zu werfen oder empfinden dies als legitimes Mittel, auch wenn sie dies vorher ausgeschlossen haben.

Welche Mittel sind ok, welche nicht?

Wir können nicht alle Mittel, die auf uns wirken oder mit denen wir konfrontiert sind, uns selber aneignen, da wir andere Grundsätzen haben. Dies können wir an unser Arbeit ganz praktisch zeigen. Als Antifaschist*innen sehen wir uns einem gewalttätigen Komplex gegenüber, in dem Faschisten zum einen verbal menschenverachtend agieren, wie mit der Leugnung der Shoa oder dem Bekennervideo des NSU, in dem Opfer rechts-terroristischer Anschläge verhöhnt wurden. Zum Anderen ermorden Faschisten Menschen aus einem ideologischen Kalkül oder einfach nur aus ideologischem Motiven. Auch bauen sie paramilitärische Strukturen auf, die bis in die Verfassungsorgane reichen. Weil wir auf eben dieser Ebene nicht agieren wollen, bleiben uns die Mittel einer Zivilgesellschaft, des zivilen Ungehorsam und der Vermittelbarkeit von Politik, um möglichst viele Leute zu mobilisieren.

Wie geht ihr vor?

Zu unserem vorgehen haben wir schon etwas oben gesagt. Wir beobachten Naziaktivitäten und betreiben Aufklärung. Unsere Recherchen sind oft langwierig und reichen in einigen Fällen weit zurück, weshalb wir zum Beispiel bei dem Attentat auf Henriette Reker schnell heraus gefunden haben, dass der Täter in den 90er Jahren in der FAP organisiert war, womit wir eine Pathologisierung der Tat verhindert haben und zu Klärung des Tatmotiv beitragen könnten [www.deutschlandfunk.de/mythos-antifa-zwischen-engagement-und-gewalt.724.de.html?dram%3Aarticle_id=463089]. Häufig reicht auch bei rechten Umtrieben schnell zu intervenieren, d.h. schnell zu veröffentlichen wer hinter den Aktivitäten steckt, Verbindungen zu anderen rechten Gruppen aufzuzeigen und eine Demonstration anzumelden. Bei einer Burschenschaft in Bonn haben wir so schon früh auf die Bestrebungen dieser aufmerksam gemacht, eine Identitären Gruppe gründen zu wollen, was diese davon abgehalten hat, vielleicht weil sie Angst vor öffentlicher Aufmerksamkeit hatten oder vor andauerndem Protest vor ihrem Haus. Dazu brauchte es zwei Texte und eine Demo mit 200 Teilnehmer*innen [http://aobn.blogsport.eu/2019/01/13/kein-fussbreit-rechten-burschenschaften/ ; http://aobn.blogsport.eu/2017/12/13/erfolgreiche-demo-gegen-rechte-burschenschaft-und-ib/]. Nazis sind schwer los zu werden, wenn man sie lange gewähren lässt und zuschaut.

Politische Gegner? Was denkt ihr über sie?

In breiten Bündnissen arbeiten wir durchaus manchmal mit Gruppen oder Parteien zusammen, die wir in anderen Kontexten als der „Gegen Nazis“ durchaus als politische Gegner*innen ansehen. Es ist durchaus kritisch für uns, mit Parteien gegen Faschismus und Rassismus zu demonstrieren, die an andere Stelle z.B. für Abschiebungen verantwortlich sind. Auseinandersetzungen mit politischen Gegner*innen sind wichtig und werden oft zu selten geführt – grundsätzlich und da sind wir auch keine Weltmeister drin. Allerdings ist eine Auseinandersetzung nur möglich, wenn sie auf einer gewissen Basis des Respekt und der Menschenachtung stattfindet. Dieses ist bei Faschisten (und nicht nur bei denen) nicht vorhanden. Ein Reden mit Faschisten lehnen wir daher komplett ab und halten dies auch für absolut sinnfrei und gefährlich.


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